Gerade jetzt in der dunklen und kalten Jahreszeit meldet sie sich wieder öfters – die Einsamkeit. Wer sie kennt, weiß wie schmerzhaft sie sein kann.
Bist du eher kontaktfreudig und hast trotzdem Schwierigkeiten Menschen kennenzulernen? Wenn ich im Internet danach stöbere, was man gegen Einsamkeit tun kann, kommt häufig der Tipp sich unter Menschen zu begeben und Aktivitäten oder ein neues Hobby anzufangen, um neue Leute kennenzulernen. Der ein oder andere mag diesen Anstoß zu schätzen wissen und sich unter Leute begeben. Manchmal sind wir einsam, weil sich unsere Lebensumstände verändert haben.
Vielleicht bist du in eine neue Stadt gezogen, deine Beziehung ging in die Brüche und damit auch dein Freundeskreis. Vielleicht hast du während einer ernsten Krankheit erlebt, dass manche Freunde sich von dir distanziert haben und keine echten Freunde waren oder mit der Situation überfordert waren. Oder du hast angefangen deine Beziehungen zu Menschen zu hinterfragen und stellst fest, dass du manche Beziehungen nicht mehr aufrecht erhalten möchtest, weil du dich damit nicht mehr wohl fühlst.
Wenn alte Strukturen sich auflösen und noch nichts Neues in Sicht ist, kann das einsam machen. Ich frage mich aber ob viele, die sich einsam fühlen, nicht selbst schon auf diese Idee gekommen sind sich unter Menschen zu begeben, weil es so offensichtlich ist.
Kennst du den Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein? Alleine sind wir, wenn kein Mensch da ist, mit dem wir uns austauschen könnten. Dann ist es eine gute Strategie und eine schöne Erfahrung neue Menschen kennenzulernen oder alte Bekanntschaften wieder bewusst aufleben zu lassen.
Einsam sind wir, wenn wir uns isoliert fühlen und keinen Zugang zu anderen Menschen finden. Wir können uns auch wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind, einsam fühlen. Zum Beispiel weil wir es nicht schaffen eine wirkliche Verbindung mit einem Menschen herzustellen und sie daher nicht langfristig aufrecht erhalten können. Weil wir uns nicht verstanden oder gesehen fühlen oder weil wir immer wieder Menschen kennenlernen, mit denen wir lieber nichts zu tun haben wollen, weil sie anstrengend sind oder uns schlecht behandeln.
Dann hilft es nicht einfach neue Bekanntschaften zu machen. Dann ist dieser Tipp ungefähr so wertvoll wie keine Zigaretten mehr zu rauchen, wenn wir mit dem Rauchen aufhören wollen. Es ist offensichtlich, aber es scheitert an der Umsetzung.
Wenn wir es nicht schaffen in eine wirkliche Verbindung mit Menschen zu gehen, kann das verschiedene Ursachen haben. Ein häufiger Grund dafür ist, dass wir eine schlechte Selbstwahrnehmung haben und dadurch in Beziehungen nicht authentisch sind. Wir tun dann Dinge, die von uns erwartet werden oder von denen wir auch nur glauben, dass sie erwartet werden. Und verleugnen uns damit selbst. Wir nehmen uns selbst nicht ernst und spielen unsere Bedürfnisse herunter. Wir sagen uns dann dass die Grenzüberschreitung des anderen ja nur eine Kleinigkeit sei und es eigentlich keinen Grund dafür gibt sich zu ärgern oder traurig zu sein.
Wenn wir nicht gelernt haben unsere Bedürfnisse wahrzunehmen und ernst zu nehmen, dann verlieren wir den Kontakt zu uns selbst. Dadurch fällt es uns schwer Grenzen zu setzen. Wir wissen nicht, wann es sich lohnt Kompromisse einzugehen und wann es wichtig ist für uns einzustehen. Und so lassen wir uns Dinge gefallen, die wir gar nicht möchten, lassen uns schlecht behandeln oder denken wir seien überempfindlich, wenn uns Kleinigkeiten stören.
Um wieder ein Gefühl dafür zu bekommen wo wir Toleranz üben möchten und wo wir für uns einstehen möchten, ist es wichtig wieder in Kontakt mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen zu kommen. Das ist reine Übungssache. Da wir meist jahrelang nicht in uns hineingespürt haben – manche von uns sogar noch nie, braucht es auch eine Weile, um wieder einen guten Zugang zu sich selbst zu bekommen.
Es ist wie mit dem Lernen eines Instruments. Wenn wir jeden Tag ein bisschen üben, können wir nach ein paar Wochen schon kleine Stücke spielen und je länger wir dranbleiben, desto weiter kommen wir. Übung macht den Meister.
Wenn du magst, kannst du dich also jeden Tag fragen „Was fühle ich gerade?“ und „Was brauche ich jetzt?“. Diese simplen Fragen eröffnen uns wieder den Zugang zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen. Dabei geht es nicht darum, dass wir uns jeden Wunsch erfüllen. Auch wenn das, was wir gerade brauchen, nicht machbar ist, führt alleine das Nachspüren zum Erfolg. Wichtig ist, dass wir uns die Frage stellen und mit Empathie und Mitgefühl die Antwort wahrnehmen.
Ein Beispiel:
- Frage: „Was fühle ich gerade?“
- Antwort: „Ich bin traurig, (weil mich die andere Person nicht wahrgenommen hat).“
- Du könntest nun zu dir selbst so etwas sagen wie: „(Dein Name), ich sehe, dass du traurig bist.“
- Frage: „Was brauche ich gerade?“
- Antwort: „Ich brauche jemanden, der mich in den Arm nimmt und tröstet.“ (Aber es ist gerade keiner da, der das tun könnte).
- Auch hier könntest du sagen: „(Dein Name), ich sehe, dass du jemanden brauchst, der dich in den Arm nimmt.
Wenn wir sehr den Zugang zu uns selbst verloren haben, kann es auch sein, dass wir erst mal gar nicht wissen, was die Antwort ist. Das ist völlig in Ordnung und auch nur eine Sache der Übung. Es geht nicht darum über die Antwort nachzudenken. Denn deshalb haben wir ja den Kontakt zu uns verloren, weil wir zu viel denken anstatt zu fühlen. Es geht darum die Frage zu stellen und einfach für dich selbst da zu sein, so dass eine Antwort aus deinem Inneren aufsteigen kann.
Wenn da keine kommt, dann ist das die Antwort. Du könntest dann auch liebevoll zu dir sagen: „Ich sehe, dass du gerade nicht weißt, was du fühlst/bauchst.“ Sei geduldig mit dir. Wenn wir etwas Neues lernen, ist es normal, dass es nicht gleich funktioniert und auch, dass es immer mal wieder Rückschläge geben kann. Wenn du es schon könntest, bräuchtest du es ja nicht üben.
Wenn wir uns so verständnisvoll uns selbst zuwenden, können wir über die Zeit immer besser unsere Gefühle benennen und dafür sorgen, dass unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Wir sind dann nicht mehr darauf angewiesen, dass andere erkennen was wir brauchen und es uns geben, sondern wir können uns um uns selbst kümmern und anderen klar sagen was wir erwarten oder wenn unsere Grenzen verletzt werden. Und wir fühlen uns dann nicht mehr schlecht, wenn wir Konsequenzen ziehen, wenn jemand unsere Grenzen missachtet.
Wir finden immer mehr die Möglichkeit respektvoll mit anderen UND uns selbst umzugehen, anstatt uns für die Bedürfnisse der anderen oder die von uns selbst entscheiden zu müssen. Das führt manchmal anfangs gerade bei Menschen, die gewohnt sind, dass du nicht für dich einstehst, zu Irritationen. Dadurch, dass du aber gelernt hast immer mehr auf deine Gefühle zu vertrauen, wird dich das nicht mehr so aus der Bahn werfen wie vorher.
Wenn wir dann erst mal verinnerlicht haben, dass wir uns und unsere Gefühle ernst nehmen können, merken andere Menschen, was wir bereit sind zu dulden und was nicht – auch ohne dass wir groß darüber reden. Ich sage immer sie riechen es einige Meilen gegen den Wind. Du strahlst durch deine innere Haltung und damit auch durch deine Körpersprache aus, dass du wichtig und liebenswert bist und dass du nur einen respektvollen Umgang mit dir zulässt. Und sollte der andere dennoch nicht respektvoll mit dir umgehen, wirst du es zumindest nicht mehr auf dich beziehen.
Ein weiterer Effekt ist, dass du dadurch auch deine Intuition trainierst. Du bekommst also generell ein besseres Gefühl dafür was gerade in einer Situation vorgeht, wer es gut mit dir meint und wer nicht und es fällt dir leichter Entscheidungen zu treffen.
Das schöne ist, dass man sich diese beiden Fragen überall zwischendurch stellen kann. An der Supermarktkasse, in der Bahn, beim Zähneputzen und wo immer du gerade bist und dich ein paar Sekunden auf dich selbst fokussieren kannst.
Wie könntest du also diese beiden Fragen in deinen Alltag integrieren?
- Was fühle ich?
- Was brauche ich?
Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren. Wenn du magst, schreib mir gerne über mein Kontaktformular was für Erfahrungen du damit gemacht hast und was dir geholfen hat. Gemeinsam schauen wir gern nach weiteren Möglichkeiten für dich.